Tinnitus (Ohrgeräusche)

Viele Menschen kennen ihn. Den Tinnitus. Doch es ist anders als das übliche Ohrensausen. Beim Tinnitus tritt plötzlich ein Rauschen, Klingeln oder Pfeifen in Ohr auf. Manchmal sind es hohe, manchmal tiefe Töne, die nur der Betroffene selbst wahrnimmt. Dass das Ganze nicht einmal im Schlaf aufhören will, treibt machen fast zur Verzweiflung. Bei den Gepeinigten sind Depressionen und Selbstmordgedanken nicht selten. Ständige Ohrgeräusche zermürben.

Die Auslöser für einen Tinnitus sind z. Bsp. ein Hörsturz, Probleme an der Halswirbelsäule , Lärmschäden und Knalltrauma, das Rauchen, Durchblutungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Schilddrüsenleiden, manche Medikamente, Kieferfehlstellungen, Morbus Meniere, Mittelohrkrankheiten, Ohrenschmalz, bis hin zum Hantieren mit Ohrenstäbchen.

Oft kommt es durch diese Ursachen zu einem akuten Sauerstoffmangel im Ohr. Zum einen können feinste Äderchen dadurch verkrampfen. Oder das Blut ist zu dick und fließt deshalb zu langsam. Zum anderen können die Haarzellen im Cortischen Organ geschädigt werden. Dies führt ebenfalls zu Ohrgeräuschen, Druckgefühl und stark gedämpftem Hören. Hält der Zustand länger als drei Monate an, spricht man von einem chronischen Zustand bzw. Tinnitus.

Knapp 20% der Bevölkerung sind dauerhaft von Tinnitus betroffen. Und knapp 40% leiden zumindest einmal im Leben daran. Folgende Medikamente können der Auslöser für Tinnitus sein: z. Bsp. Schmerzmittel mit Acetylsalicalsäure (allerdings nur in hohen Dosen), einige Diuretika wenn sie missbräuchlich und nicht zur Behandlung von Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz verwendet werden, Chemotherapeutika zur Krebsbehandlung können das Innenohr und den Übertragungsmechanismus stören, Anti-Malaria-Mittel (in denen Chinin enthalten ist, dieses kann eine Hörstörung hervorrufen, wenn es länger in hohen Mengen eingenommen wird), einige ältere Antibiotika, Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer, Magensäureblocker und Antidepressiva.

Eine in jedem Fall befriedigende Behandlung gegen Tinnitus gibt es noch nicht. Die Infusionstherapie, wie sie auch beim akuten Hörsturz angewendet wird, zeigt keine Wirkung. Und mit dem Wirkstoff Pentoxifillin verschlechtert sich die Durchblutung sogar noch mehr. Liegt die Ursache jedoch im Bereich der Halswirbelsäule, dann kann die DOLOR S TOP – Schmerztherapie in vielen Fällen durchaus Linderung oder sogar Abhilfe schaffen.

Eine hochdosierte Kortison-Therapie sowie die Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff kommen auf Grund der Nebenwirkungen ebenfalls nicht in Frage. Für den einen oder anderen bringen aber hochdosierte Ginkgopräparate Linderung. Sofern diese gleich in den ersten Tagen des Dilemmas zur Anwendung kommen.

Eigentlich muss Tinnitus immer ganzheitlich behandelt werden. Dafür ist aber Eigeninitiative gefragt. Klar, dass man auf jeden Fall zuerst die eigentlichen, erkennbaren Ursachen ausschalten muss. Stress steht immer und überall mit im Vordergrund. Vielleicht muss ein Medikament ausgewechselt oder abgesetzt werden, eventuelle Kieferfehlstellungen müssen gerichtet werden, das Rauchen muss aufgegeben werden, muskuläre Dysfunktionen an der Halswirbelsäule müssen beseitigt werden, usw.. Stellen Sie sich Konflikten am Arbeitsplatz. Finden Sie Lösungen bei Partnerschaftsproblemen. Kämpfen Sie aktiv gegen Depression. Oft sind Menschen unterfordert. Meist jedoch überfordert. Eine immer schnellere Lebensweise, Sorgen und Termindruck, schlagen vielen nicht nur auf den Magen sondern auch auf die Ohren. Entwickeln Sie eigene Bewältigungsstrategien. Tinnitus ist nichts anderes als ein persönliches Haltesignal. Überhören Sie dieses Signal, dann müssen Sie oft anschließend mit den weitreichenden Folgen leben.

Homöopathie kann helfen. Wichtig sind aber gerade Entspannungstechniken, um Stress abzubauen. Versuchen Sie zur Ruhe zu kommen und versuchen sie andere Geräusche, wie z. Bsp. Ihre Lieblingsmusik, wieder intensiv zu hören. Lenken Sie sich ab, mit allem was Ihnen Spaß macht.

Die derzeitigen Therapien gegen einen chronischen Tinnitus, meist unter dem Begriff Retraining zusammengefasst, zielen vor allem darauf ab, dass der Patient lernt, mit dem Ton im Ohr zu leben, seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuzuwenden und trotz des Geräuschs entspannen zu können. Sich mit sich selbst zu arrangieren muss man meist erst lernen.

Neuere Verfahren aber haben sich zum Ziel gesetzt, die lästigen Geräusche tatsächlich, zumindest ein Stück weit, verstummen zu lassen. Hierzu zählen die Transkranielle Magnetstimulation sowie eine spezielle Form der Musiktherapie und die akustische CR-Neuromodulation aus Jülich. CR steht für Coordinated Reset (Koordiniertes Zurücksetzen).

Alle drei Methoden werden bereits an Patienten erprobt, gelten aber noch nicht als etablierte Therapien und werden von den Krankenkassen nicht in jedem Fall bezahlt. Auch Medikamente gegen den Tinnitus werden zurzeit in klinischen Studien getestet.

Eines ist sämtlichen modernen Ansätzen gemeinsam: Sie erzielen ihre Wirkung im Gehirn, und zwar in bestimmten Arealen der Hörrinde, wo die Nervenzellen nicht mehr gezielt und nacheinander, sondern alle gleichzeitig ihre Signale abfeuern. Die CR-Neuromodulation soll die synchrone Überaktivität der Nervenzellen durch gezielte akustische Signale stören, die speziell auf den jeweiligen Tinnitus abgestimmt sind.

Dazu muss der Patient an einer Art Tonmischpult zunächst die genaue Tonhöhe und Lautstärke seiner Ohrgeräusche nachbilden. Sie werden von einem Programmiergerät erfasst, das dann anhand eines von Peter Tass entwickelten komplexen Algorithmus eine individuelle Tonfolge für die Stimulation berechnet.

Dem Patienten wird die Tonfolge in einer gerade noch hörbaren Lautstärke auf seinen Stimulator überspielt. Das Gerät sollte mehrere Monate täglich einige Stunden lang getragen werden.

“Das Besondere an der CR-Neuromodulation ist, dass sie den Rhythmus verändert, in dem die überaktiven Nervenzellen feuern, und dass sich dadurch die fehlgeleiteten Nervennetzwerke im Gehirn wieder umbauen”, sagt Tass. Diesem Umbau sei es zu verdanken, dass sich mit dem Verfahren eine dauerhafte Linderung des Tinnitus erzielen lasse.

Um das zu beweisen, hat Tass eine Studie initiiert, an der zurzeit 63 Patienten mit einem chronischen, tonalen Tinnitus teilnehmen. Die Probanden hören seit mindestens sechs Monaten, die meisten seit vielen Jahren, einen Ton im Ohr.

Tass und seine Kollegen haben sie in fünf Gruppen eingeteilt. In Gruppe eins bis vier werden die Patienten drei Monate lang mit unterschiedlicher Stimulusanzahl und -dauer behandelt. Gruppe fünf bekommt eine Scheintherapie. Im Anschluss daran erhalten alle Probanden zunächst eine einmonatige Behandlungspause und danach eine sechsmonatige Therapie mit der effektivsten Form der Stimulation.

“Nach den ersten drei Monaten hat sich gezeigt, dass die Gruppe eins, in der zehn Patienten täglich vier bis sechs Stunden mit je vier Tönen stimuliert wurden, die besten Ergebnisse erzielte”, sagt Tass. Die Lautstärke der Ohrgeräusche und die empfundene Belästigung habe um 40 beziehungsweise 33 Prozent abgenommen. In der Placebogruppe seien es nur neun und acht Prozent gewesen. Bei einigen Patienten sei der Tinnitus sogar komplett verschwunden.

Auch bei der Musiktherapie, die Christo Pantev vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Universität Münster entwickelt hat, sollen sich die fehlgesteuerten Nervenzellen durch akustische Reize neu organisieren. Pantev und seine Kollegen haben dazu aus den bevorzugten Musikstücken ihrer Patienten die Frequenzen des jeweiligen Tinnitus herausgefiltert. Ein Jahr lang sollen die Patienten diese Musik täglich etwa zwei Stunden lang hören.

Eine Studie mit 16 Probanden, die im Januar in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (Pnas) veröffentlicht wurde, zeigt, dass diese ungewöhnliche Form der Therapie tatsächlich funktionieren kann. Bei den acht behandelten Patienten nahmen sowohl die Lautstärke des Ohrgeräuschs als auch die Aktivität der fehlgesteuerten Nervenzellen ab, während bei den acht Patienten der Placebogruppe vergleichbare Veränderungen nicht zu registrieren waren.

Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) soll die krankhafte Überaktivität der Nervenzellen nicht mit akustischen Reizen, sondern mit Hilfe starker Magnetfelder stören. Bei dieser Methode wird zunächst mit bildgebenden Verfahren der Bereich der Hörrinde mit der stärksten Aktivität ermittelt. Anschließend wird dieses Areal über zehn Tage hinweg täglich eine gute halbe Stunde lang mit etwa zweitausend magnetischen Impulsen stimuliert.

Knapp fünfhundert Tinnitus-Patienten wurden in Deutschland bislang per TMS behandelt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen: “Etwa jeder zweite stellt fest, dass sein Tinnitus leiser und sein Befinden besser wird”, sagt Tobias Kleinjung von der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Tinnituszentrum Regensburg. “Bei einigen hielten die Effekte wenige Wochen an, bei anderen mehrere Monate.”

Kleinjung hofft, das Verfahren künftig noch zu verbessern. “Wir erproben zurzeit verschiedene Frequenzen und behandeln unterschiedliche Regionen des Gehirns”, sagt er. Zum Beispiel könne es sinnvoll sein, auch frontale Hirnareale, also solche hinter der Stirn, per Elektromagnet zu stimulieren. Dort werde der Tinnitus mit negativen Emotionen verknüpft. Auch ein erstes Medikament gegen die Ohrgeräusche könnte schon bald erhältlich sein. Bis Mitte des Jahres sollen die Ergebnisse von drei Studien vorliegen, in denen der Wirkstoff Neramexane des Frankfurter Pharmaunternehmens Merz an insgesamt etwa 1200 Patienten getestet wird. Neramexane blockiert in den Nervenzellen zwei Rezeptoren, die für die Weiterleitung von Signalen notwendig sind. Bereits abgeschlossene Studien mit einigen hundert Patienten deuten daraufhin, dass der Wirkstoff den Tinnitus lindern kann.

“Ob eine einzige Therapie die Ohrgeräusche für immer abstellen wird, ist allerdings unwahrscheinlich”, gibt Berthold Langguth von der Regensburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie zu bedenken, der zusammen mit Kleinjung das dortige Tinnituszentrum leitet. Vermutlich werde man die besten Effekte auf lange Sicht nur mit einer Kombination verschiedener Ansätze erzielen: “Ganz so leicht wird sich die Sehnsucht nach Stille vermutlich auch in Zukunft nicht erfüllen.”Pnas, Bd. 107, S. 1207

Rund 80 Prozent der Patienten schaffen es aber doch, trotz Tinnitus, gut im Leben zurecht zu kommen. Doch fast immer liegt der Erfolg wirklich in einem Mix mehrerer Ansätze.

Versuchen Sie also auf jeden Fall Ihren Stress in den Griff zu bekommen. Schaffen sie sich Freiräume und schalten Sie ab. Schaffen Sie das, es gibt viele Möglichkeiten, dann haben Sie m. E. schon viel erreicht.