Länger leben mit Herzpumpe

Erstmals hat eine Patientin in der Schweiz eine Herzpumpe der neusten Generation erhalten. Das Hilfsmittel könnte die Transplantation eines fremden Herzes ersetzen.

„Nun bin ich wieder eine Frau ganz in Freiheit“, kommentiert die Uhrmacherin Alda Algarvio ihr Leben erleichtert und stolz, nach dem ersten Einkaufsbummel in Bern, drei Wochen nach ihrer Operation. Ende Mai erhielt die zierliche 59-Jährige als erste Schweizer Patientin die neuartige Minipumpe HeartWare zur Unterstützung ihres geschwächten Herzes eingepflanzt.

«HeartWare hat den Herzkreislauf wiederhergestellt, ihre Herzschwäche ist praktisch weg», sagt der Kardiologe Paul Mohacsi vom Inselspital. Jetzt kann Algarvio wieder voller Energie und von Gesten begleitet Gespräche führen. Vor der Operation war das unmöglich – schon nach ein paar Worten musste sie erschöpft Atem holen.

Während Chirurgen zum Kunstherz noch auf Distanz gehen, haben herzunterstützende Pumpen innerhalb eines guten Jahrzehnts eine rasante Entwicklung durchlaufen. Beim Kunstherz lässt sich die Gefahr kaum bannen, dass sich Blutzellen in Aggregaten und Zuleitungen aus Kunststoff und Metall verletzen, hängen bleiben und verklumpen. Hirnschlag oder Lungenembolie können die Folge sein. „Beim voluminösen Kunstherz sind Verwachsungen ausgeprägt und erschweren eine spätere Herztransplantation“, sagt Herzchirurg Mario Stalder, der die Patientin Algarvio operiert hat. Diese Gefahr ist weitaus geringer bei Herzpumpen, die meist nur die linke Herzkammer dabei unterstützen, sauerstoffreiches Blut in den Körperkreislauf zu pumpen.

Die Gefahr eines Blutgerinnsels gilt es aber auch hier zu bannen. Für die Entwicklung bedeutet dies: möglichst kleine Pumpen mit möglichst wenigen Zuleitungen zum Herz. Innerhalb von Jahren hat die Entwicklung Gewicht und Größe dieser Pumpen radikal reduzieren können.

Ursprünglich wurden Herzpumpen entwickelt, um die Zeit bis zur Herztransplantation zu überbrücken. Medizinische Gründe standen im Vordergrund, denn eine schwere Herzschwäche verringert nicht bloß den Bluttransport. Als Folge verengen sich die Lungengefässe, Blut wird gestaut, wodurch Lungenhochdruck entsteht, gegen den ein transplantiertes Herz nicht erfolgreich ankämpfen kann. Die Herzpumpe soll den Lungendruck normalisieren, damit eine Transplantation möglich wird – sofern ein Herz zur Verfügung steht.

Das jedoch ist immer seltener der Fall, und so sind Herzpumpen als Dauereinrichtung zumindest in den USA bereits Wirklichkeit. Dort stehen pro Jahr 2200 Spenderherzen bereit, 800 zu wenig. In der Schweiz ist die Situation nicht besser. Laut Swisstransplant wurden letztes Jahr in der Schweiz 30 Herzen verpflanzt. Zehn Patienten auf der Warteliste verstarben.

Während in Europa und in der Schweiz Herzpumpen nach wie vor nur als Überbrückung zugelassen sind, erlaubte die US-Gesundheitsbehörde FDA die Herzpumpe bereits 2002 als Dauertherapie. Inzwischen sind bereits Pumpen der 2. und 3. Generation auf dem Markt. Eine Studie im renommierten „New England Journal of Medicine“ zeigte im Dezember 2009, dass die Pumpen der 2. Generation die Überlebensrate nach zwei Jahren verdoppeln konnten, nämlich auf 58 gegenüber 24 Prozent. Sie arbeiten zuverlässiger: Nur 9 Prozent mussten ersetzt werden. Ebenso sank die Infektionsrate um die Hälfte. Seit 2010 ist Heart-Mate II in den USA für die Dauertherapie zugelassen. Für die neuste 3. Generation (HeartWare) liegen noch keine längeren Studien vor. Der Wiener Chirurg Georg Wieselthaler, HeartWare-Mitentwickler, sagt: „Vom Ansatz her müssen diese Pumpen mindestens 15 Jahre lang laufen.“

„Eine Herzpumpe für immer anstelle einer Herztransplantation wäre sinnvoll“, sagt Kardiologe Mohacsi. Nicht nur der raren Spenderherzen wegen, sondern auch aus finanziellen Überlegungen. Für das Einsetzen einer Herzpumpe fallen Kosten von 280 000 Franken an. Eine spätere Herztransplantation kommt auf weitere 180 000 Franken zu stehen. Dazu addieren sich pro Jahr etwa 10 000 Franken für Medikamente, um die Abstossung des fremden Herzes zu verhindern. „Beim Entscheid, zukünftig auf eine Transplantation zu verzichten, müssen auch gesellschaftliche und ethische Überlegungen einbezogen werden“, fordert Mohacsi. „Der Patient muss geistig auf dem Damm und sozial integriert sein, weil die fortlaufend Kontrolle der Pumptätigkeit und das Aufladen der Batterien zu gewährleisten sind.“

Für die erste Schweizer Patientin mit der Minipumpe ist dies kein Problem. Vor ein paar Tagen ist Algarvio heimgekehrt. Beim ersten Einkaufsbummel in Bern hat sie eine schmucke Handtasche gekauft und darin die Kontrolleinheit und die Batterien ihrer Minipumpe diskret verstaut. Sie und ihre Tasche sind nun ein Team.