Nebenwirkungen – der aktuelle Praxisfall – Und, ZDF-Reportage – korrupte Pharma (Film)

Heute geht es ausnahmsweise um einen Fall, der einen bewegt. Der Patient lebt in einer norddeutschen Großstadt. Ein lieber Bekannter, der mich in größeren unregelmäßigen Abständen anruft, um einen naturheilkundlichen Rat einzuholen.
Seine Frau hat mich jetzt, im Nachhinein des Geschehens, unterrichtet und einen Brief geschrieben. Es geht bei der Veröffentlichung des Briefes keinesfalls darum Stimmung zu machen. Sondern Sie, als Leserinnen und Leser des „Tipp der Woche“, sensibel zu machen. Sensibel für Dinge, die sein können. Gerade auch Heilpraktiker und Ärzte, die den “Tipp” lesen, dürfte dieser Fall brennend interessieren. Schließlich geht es darum, solche fatalen Lücken in Zukunft zu schließen.

Die ZDF-Reportage (Film) ist der absolute Hammer und passt zum vorigen Thema. Denken Sie, wenn Sie den Brief gelesen haben, an die Reaktion des verordnenden Orthopäden. Aber es gibt bestimmt viele Ärzte, die sich von dem mittlerweile korruptem System nicht verleiten lassen. Dennoch passieren solche Dinge wohl täglich. Und so wird man gelegentlich eben nicht nur Patient, sondern gleichzeitig auch Opfer. Vielleicht werden Sie durch diesen Film aufgerüttelt, um sich in Zukunft nicht mit kurzen, unbefriedigenden Floskeln abspeisen zu lassen. Schließlich ist der Auftrag eines Therapeuten seinen Mitmenschen, die einem zudem vertrauen, nicht zu schaden, sondern zu helfen.

Schnell wird man als Therapeut oft ebenfalls zum Patienten. Über 30 Prozent der Ärzte versterben in den ersten zwei Rentenjahren. Es hat den Anschein als wollten viele auf dem Friedhof der Reichste sein. Was für ein Irrtum.

Die Ehefrau des Patienten rief mich vergangene Woche an und erzählte, was in den zwei Wochen zuvor passiert war. Sie schrieb:

Der Orthopäde meines Mannes verordnete das Medikament „Protelos“. Am Tag nach unserem dreiwöchigen Urlaub stellte ich extreme Bewusstseinsstörungen, Orientierungslosigkeit, fehlendes Zeitgefühl, Vergesslichkeit usw. bei ihm fest. Zunächst ging es um seinen Rasierapparat. Er konnte ihn nicht mehr finden. Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass dieser wie immer im Bad liegt, merkte ich sehr schnell, dass er ihn nicht dort, sondern zuerst im Schrank in der 1. Etage suchte, danach im Wohnzimmer im Erdgeschoß und dann im Gäste-WC.

Die Dinge häuften sich. Ich stellte fest, dass er nicht mehr wusste welche Uhrzeit und welchen Tag wir hatten. Für ihn war es immer Samstag oder Sonntag. Zudem meinte er immer wieder, wann wir denn zum Arzt gehen würden. Er hatte Probleme bei der Wortfindung. Wenn er zur Toilette musste, dann ging er zur Haustüre raus. Nachts stand er fast stündlich auf und meinte, wir hätten doch Termine.

Gleich am darauffolgenden Morgen schilderte ich den Sachverhalt der Sprechstundenhilfe eines Neurologen. Sie nannte mir einen Termin fünf Tage später. Auch auf Drängen war kein früherer Termin möglich. Am darauffolgenden Tag rief ich wieder in der Praxis an und drängte erneut. Jetzt gab man mir einen Termin für den nächsten Tag.

Als wir um 10 Uhr in der Praxis ankamen, war der Arzt nicht da. Er war zu einem Notfall gerufen worden. Um 13.30 Uhr rief er in seiner Praxis an und teilte mit, dass er noch Hausbesuche mache, bevor er in die Praxis zurück komme. Wir warteten nicht länger.

Um 14.15 Uhr brachte ich meinen Mann in die Notaufnahme ins Krankenhaus. Ein Neurologe stellte meinem Mann dann endlich gegen 19 Uhr verschiedene Fragen und überprüfte die Reflexe. Seine Diagnose: Demenz! Ich war aus dem Häuschen und entgegnete, dass auch ein Laie heute weiß, dass Demenz ein schleichender Prozess ist und nicht von heute auf morgen kommt. Ich fragte den Arzt, ob nicht ein Schlaganfall oder Tumor für das Geschehen verantwortlich sein könne. Daraufhin bot er mir an, meinen Mann stationär aufzunehmen. Er meinte, man könne ja mal eine Röntgenaufnahme machen. Die Alternative sei seinen Kollegen nochmals zu konsultieren, der zum Termin nicht in seiner Praxis war. Ich nahm meinen Mann wieder mit und fuhr wütend nach Hause.

Am Tag darauf hatte mein Mann sowieso einen Termin bei seinen Lungenfacharzt. Dieser schloss Demenz gleich aus und war entsetzt, dass bisher nichts unternommen wurde. Sofort vereinbarte er mit einer anderen Klinik einen MRT-Termin, noch für denselben Tag. Wir mussten wieder warten. Von 14.15 Uhr bis 0.30 Uhr. Zwischendurch wurde gegen 22 Uhr ein EKG gemacht und Blut abgenommen. Ergebnis: Kein Schlaganfall oder Tumor. Wieder wurden wir an den Neurologen verwiesen wegen eines EEG. Aber auch von dieser Seite her kam Entwarnung. Ergänzende Laborwerte lagen nach einer weiteren Woche vor. Doch auch diese waren in Ordnung. Der Neurologe war ratlos und stellte somit die Diagnose „Demenz“.

Zuhause angekommen, kam ich auf die Idee die Beipackzettel der Medikamente meines Mannes zu studieren. Dabei stieß ich bei „Protelos (Medikament gegen Osteoporose) unter Nebenwirkungen auf häufig auftretende Gedächtnis- und Bewusstseinsstörungen, Übelkeit, gelegentliche Blutgerinnsel und Krampfanfälle. Mein Mann nahm das Medikament schon seit vier Monaten regelmäßig ein. Ich setzte „Protelos“ bei ihm sofort ab. Ab diesem Zeitpunkt ging es ihm wieder täglich besser. Ich teilte dies dem Neurologen mit. Der Neurologe reagierte sehr nachdenklich und es tat ihm leid, dass bisher niemand auf die Idee kam, an evtl. Nebenwirkungen von Medikamenten zu denken. Obwohl ich jedem Arzt, jeweils zu Beginn eines Termins, immer gleich eine komplette Medikamenten-Liste vorgelegt hatte.

Ich hielt es für meine Pflicht, auch den „Protelos“ verordnenden Orthopäden über den Vorfall zu informieren. Schließlich lebten wir 14 Tage lang in Aufregung, Angst, Verzweiflung und Schrecken. Er räumte ein, dass bei „Protelos“ solche seltenen Nebenwirkungen auftreten können. In seiner Praxis sei bis jetzt ein solcher Fall aber nicht vorgekommen. Ich korrigierte ihn, indem ich erwiderte, dass diese Nebenwirkung nicht unter selten, sondern unter häufig aufgeführt ist. Doch er meinte nur, dass wenn er alle Patienten über die Nebenwirkungen aufklären würde, niemand mehr bereit sei seine Verordnung einnehmen.

Fakt ist aber, dass uns viel Leid erspart geblieben wäre, hätte man uns zuvor aufgeklärt. Nicht zu vergessen der finanzielle Aufwand, den die Krankenkasse jetzt übernehmen muss. Fast wäre mein Mann als demenzkrank abgestempelt worden, hätte dann zusätzlich Psychopharmaka verordnet bekommen und wäre dann ganz verrückt und zum Pflegefall geworden. Was für eine  Welt.

Ohne weitere Worte.