Typ-2-Diabetes schon Jahre im voraus erkennen

Schon jeder zehnte Deutsche leidet an dem sogenannten Alters-Diabetes (Typ 2). Und die Anzahl der Neudiabetiker steigt ungebrochen. Dabei könnte man den Ausbruch der Zuckerkrankheit stets weit hinauszögern und wirklich in den allermeisten Fällen sogar total verhindern.

Diabetes entwickelt sich langsam und wird somit oft viel zu spät diagnostiziert. Wer denkt schon bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche, ständiges Hungergefühl oder Depressionen an Diabetes? Klassische Anzeichen sind ständiger Durst und permanenter Harndrang. Oft wird Diabetes mellitus erst in der Klinik, zum Beispiel nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, diagnostiziert.

Jetzt zeigte eine groß angelegte Studie, dass das eigentliche Risiko an Diabetes zu erkranken schon bei Nüchtern-Blutzucker-Werten ansteigt, die die meisten Deutschen noch als normal ansehen. Früher lag die Nüchtern-Obergrenze noch bei 110 Milligramm pro Deziliter. Der Wert wurde aber schon 2005 von der Amerikanischen-Diabetes-Gemeinschaft auf 100 Milligramm pro Deziliter nach unten korrigiert .

Beim Typ-2-Diabetes, einer Stoffwechselerkrankung, kann der Köper das selbst produzierte Insulin nicht mehr ausreichend nutzen. Somit bleibt der Blutzuckerspiegel erhöht, wobei dadurch Gefäße und Augen bereits frühzeitig geschädigt werden.

Der wissenschaftliche Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE), Professor Hans-Georg Joost, und Mitarbeiter , werteten die Daten von 589 Patienten aus. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip aus der Potsdamer EPIC-Studie (Beginn der Studie 1992) ausgewählt. An der EPIC-Studie nahmen 23 Zentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000 Personen teil. Innerhalb von sieben Jahren erkrankten von den 589 Patienten 153 an Diabetes-Typ 2.

Aus meiner Praxis: Diabetischer Fuß. Typ-2-Diabetes zeigt sich in vielen Bildern bzw. an vielen Stellen.

Die Auswertung ergab, dass es einen Zusammenhang zwischen den Nüchtern-Blutzucker-Werten und dem Diabetes-Risiko gibt. Beim ehemaligen Schwellenwert (110 mg/dl) wurden im Vorfeld über die Hälfte der Neuerkrankungen nicht oder nicht rechtzeitig erkannt. Überraschend war auch, dass bei vielen das Diabetes-Risiko schon ab einem Wert von 84 mg/dl begann. Schert man aber bei 84 mg/dl alle über einen Kamm, dann werden fälschlicherweise wiederum viele als kommende Diabetiker eingestuft, die nie an Diabetes erkranken werden.

Nach genauer Auswertung der Daten wurde der neue Nüchtern-Blutzucker-Schwellen-Wert bei 100 mg/dl festgezurrt. Letztendlich ist es so, dass nach heutigem Wissensstand die Entscheidung, ob zukünftig Diabetiker oder Nicht-Diabetiker, für die allermeisten beim Überschreiten der 100-er Marke feststeht. Ab dort wird es mit jedem weiteren Milligramm pro Deziliter sehr eng. Es wird dann schwierig werden dem Desaster Jahre später zu entkommen. Außer man erkennt die Falle rechtzeitig und betreibt ab sofort Vorsorge.

Professor Joost kommentierte die Studie in der Fachzeitschrift „Diabetic Medicine“ dahin gehend, dass es nicht darum gehe einen Großteil der Bevölkerung für krank zu erklären, sondern dass bereits rechtzeitig, beim Überschreiben des Nüchtern-Blutzucker-Wertes 100 mg/dl präventiv eingeschritten wird.

Wissenschaftler des Universitiy College London beobachteten in einer Langzeitstudie (über 10 Jahre) 6000 Probanden. 505 erkrankten im Laufe der Zeit an Diabetes. Bei allen Testpersonen veränderte sich der Stoffwechsel. Bei den später Zuckerkranken veränderten sich die Blutzuckerwerte schon drei Jahre von der Diagnose „Diabetes-Typ-2“ sprunghaft. Und die Reaktion der Zellen auf das blutzuckersenkende Hormon Insulin ließ sogar schon fünf Jahre vor der Diagnose nach. Mit anderen Worten: Eine Insulinresistenz ist schon fünf Jahre vor der eigentlichen Diagnose mess- und feststellbar.

Wissenschaftler wie Dr. Norbert Stefan, vom Universitätsklinikum Tübingen, spüren gefährdete Personen bereits im Vorfeld anhand einer Kernspintomographie auf. Dabei wird der Leberfett-Anteil unter die Lupe genommen. Jedoch haben auch immer mehr Normalgewichtige einen erhöhten Leberfett-Anteil. Und dieser gilt in jedem Fall als Risikofaktor für die Krankheit, die erst viele Jahre später auftreten kann.

In Deutschlang gibt es zum jetzigen Zeitpunkt sieben Millionen Diabetiker. Weitere drei Millionen leiden bereits an Diabetes mellitus ohne es zu wissen. Die Dunkelziffer dürfte wieder mal viel höher sein. Und die Kurve zeigt weiterhin steil nach oben. Deshalb ist es wichtig die Blutzuckerwerte in nicht zu großen Abständen zu beobachten und ggf. rechtzeitig einzugreifen und zu handeln. Nur so lassen sich Spätfolgen wie Herz-/Kreislauf oder Nierenerkrankungen verhindern.