Oh Herr, vergib Ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun (Lukas 23, 34).

Dieser Satz aus dem Lukasevangelium gilt auch heute noch und mehr denn je. Und da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausschließlich aus Menschen besteht, leider auch dort.

Letzten Montag warnte die WHO eindringlich vor rotem Fleisch, verarbeitetem rotem Fleisch und Wurstprodukten. Doch als es die Schlagzeilen nur so hagelte, da ruderte die Krebsagentur IRAC der WHO schnell wieder zurück. Auf einmal wollte die WHO nur noch klarstellen, dass man rotes Fleisch und Wurst nicht verbieten wolle, sondern nur darauf hinweisen möchte, dass ein geringerer Verzehr vielleicht das Krebsrisiko verringern könne.

Ein Grund mehr für Thomas Bauer, Vizepräsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) der WHO Angstmacherei vorzuwerfen. Er rechnet vor: Von 100 Menschen erkranken nicht 18 Menschen (18 %) an Krebs, wenn sie täglich 50 Gramm Wurst verzehren. Das absolute Darmkrebs-Risiko liegt nämlich bei 5 Prozent. Bei einer 18-prozentigen Zunahme läge das absolute Darmkrebsrisiko dann bei knapp 6 Prozent.

Uwe Knop, Ernährungswissenschaftler, wirft der WHO vor, ihr (Nicht-)Wissen aus Studien zu beziehen, die alles andere als eindeutig sind. Eine nachprüfbare Studie wurde bis jetzt nicht vorgelegt. Zudem wurde in der sehr renommierten EPIC-Oxford-Studie schon in 2009 gezeigt, dass Vegetarier statistisch gesehen wohl öfter an Darmkrebs erkranken.

In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Studien, deren Ergebnisse später einfach wieder total revidiert werden mussten. Bzw. Studien, die von einigen promovierten Übereifrigen einfach
nicht richtig interpretiert wurden. Schade, wenn dadurch viele Bürger eine Orthorexia nervosa – oder anders gesagt – den Zwang sich gesund zu ernähren entwickeln. Und das völlig unnötig.

Ich denke hier nur an das Cholesterin. Zuerst hat man Cholesterin lange Zeit verteufelt. Dann hat man sich plötzlich völlig gedreht und behauptet, dass es keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen dem Cholesterin aus Lebensmitteln und dem Cholesterinwert im Blut gibt. Ich weiß noch: 1999 habe ich mit dem renommierten  Ernährungswissenschaftler Dr. Worm nach einer Fernsehsendung im SWR telefoniert. Seither stehen wieder Eier und Butter auf dem Speiseplan. Und wenn man an die ach so tollen Ratschläge der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) denkt, dann kommt einem ebenfalls das Grausen. Fünfmal am Tag Obst und Gemüse soll vor Krebs und Herz-/Kreislauferkrankungen schützen. Man fragt sich allen Ernstes: Hallooo, geht’s noch? Wer hat die Zeit für fünf Mahlzeiten? Wer will das? Wer schafft das? Tun „die“ das? Die Smoothies waren ja auch mal „in“. Bis man 2013 dahinter kam, dass zu viel Fruchtzucker dick macht und das Diabetes-Risiko fördert.

Ich stelle mir das so vor: Diese Herrschaften sitzen früh morgens auf der Bettkante und plötzlich holt sie das Tagesgeschäft ein. Mist, wieder nichts Neues. Doch man ist im Zugzwang. Irgendwann muss man mal wieder etwas von sich geben. Man grübelt und grübelt und plötzlich kommt einem eine Idee… Im Präsentationswahn übersieht man aber ganz die Folgen und Auswirkungen.

Lassen wir uns unsere Nahrung und den Genuss durch Nichwissen also nicht gänzlich vermiesen. Schließlich kommt es auch darauf an, wie stark ich über die Stränge schlage. Und wie oft. Und die individuelle Veranlagung jedes Einzelnen spiel ebenfalls eine sehr große Rolle. Das ist natürlich die Unbekannte bei der ganzen Sache.

Doch bei allem Wenn und Aber, Ob und Überhaupt – es gilt natürlich: Verarbeitetes Fleisch (auch in Büchsen), Rauchfleisch und Wurst werden als krebserregend eingestuft. Fleisch, gegrillt oder stark gebraten, ebenso. Bei Geflügel soll das anders sein. Aber auch hier gilt: Nichts Genaues weiß man nicht. Hierbei handelt es sich bisher wohl ebenfalls lediglich um Vermutungen. Lassen wir also einfach die Kriche im Dorf. Und denken Sie immer an das Mittelmaß.